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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 12.07.2000
Aktenzeichen: 4 U 76/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 535
ZPO § 935
Hat der Vermieter seine Immobilie an zwei Mieter vermietet, so kann er nicht mit einer einstweiligen Verfügung verpflichtet werden, die Immobilie nicht dem anderen Mieter zu überlassen.

SchlHOLG, 4. ZS, Urteil vom 12. Juli 2000, - 4 U 76/00 -


4 U 76/00 16 O 19/00 LG Kiel

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am: 12. Juli 2000

Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

der ... Grundstücksgesellschaft mbH & Co. ... vertreten durch die Komplementärin, die ... vertreten durch den Geschäftsführer ... ebenda,

Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin,

- Prozeßbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig -

gegen

die ... Vermögensverwaltung GmbH, ... Geschäftsführer ...

Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte,

- Prozeßbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Dr. Tischler, Dr. Carstensen, Dr. Schulz und Dr. Punke in Schleswig -

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hensen, den Richter am Oberlandesgericht Burck und den Richter am Oberlandesgericht Frahm

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 21. März 2000 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Kiel geändert.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

Entscheidungsgründe:

I. Die Verfügungsklägerin (im folgenden: Klägerin) nimmt die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) auf Sicherung eines Gebrauchsgewährungsanspruches aus einem Mietvertrag in Anspruch.

Mit Datum vom 29. November 1997 unterzeichneten der Geschäftsführer der Klägerin und der Kommanditist der Beklagten, Herr D, einen Mietvertrag über eine rund 500 qm große Gewerbefläche in dem von der Beklagten errichteten Objekt "Epark". Die Parteien streiten darüber, ob dieser Vertrag wirksam zustande gekommen ist. Durch Urteil vom 17. Februar 2000 hat das Landgericht Kiel in 15 O 171/99 dem Feststellungsbegehren der Klägerin, daß der Mietvertrag wirksam sei, stattgegeben. Die Beklagte hat dieses Urteil mit der Berufung angefochten (4 U 35/00).

Mit Datum vom 02. März 2000 hat die Beklagte die in dem Vertrag vom 17. November 1997 bezeichneten Räumlichkeiten im Rahmen einer Erweiterung des danebenliegenden Ladengeschäfts an die Firma S vermietet.

Mit ihrem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin die Herausgabe der auf sie entfallenden rund 500 qm an einen Gerichtsvollzieher als Sequester beantragt und darüber hinaus den Antrag gestellt, der Beklagten zu untersagen, eine andere Ladenfläche an ein unmittelbares Konkurrenzunternehmen zu übergeben und diesem den Betrieb und die Eröffnung des Ladens zu gestatten, nachdem ein entsprechender Mietvertrag mit der Firma "D F" am 19. November 1998 von Seiten der Beklagten geschlossen worden war.

Das Landgericht hat dem Antrag auf Herausgabe an den Gerichtsvollzieher als Sequestor stattgegeben und im übrigen den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Gegen den Ausspruch zur Herausgabe wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint weiterhin, daß ein wirksamer Mietvertrag mit der Klägerin nicht geschlossen worden sei. Im übrigen sei bereits am 10. März 2000 eine Übergabe des Ladengeschäfts an die Firma S erfolgt. Die einstweilige Verfügung sei außerdem im Falle der Doppelvermietung kein zulässiges Sicherungsmittel.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschluß vom 29. Mai 2000 die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil gemäß §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO einstweilen eingestellt.

Am 28. Juni 2000 hat die Firma S ihr "I-Geschäft im "Eiderpark" eröffnet.

II. Die Berufung ist begründet.

Es kann offenbleiben, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Mietvertrag geschlossen worden ist, denn jedenfalls stellt die einstweilige Verfügung vorliegend kein zulässiges Sicherungsmittel dar (1.). Auch hat die Beklagte hinreichend glaubhaft gemacht, daß sie das Ladengeschäft bereits am 10. März 2000 an die Firma S übergeben hat (2.).

Entgegen bisheriger überwiegender Auffassung (Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 536 Rd. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 535 Rd. 9 und § 538 Rd. 12; Sternel, Mietrecht, II. 594; Wichert, ZMR 1997, 16 und OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 137) ist es nicht zulässig, bei einer Doppelvermietung dem Vermieter im Wege der einstweiligen Verfügung die Überlassung des Mietobjekts an den anderen Mieter zu untersagen. Die jüngere Rechtsprechung sieht mit gewichtigen Argumenten die einstweilige Verfügung nicht als zulässiges Sicherungsmittel an. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Es gilt nämlich nicht der Grundsatz der Priorität des Mietvertragsabschlusses für die Frage, an wen der Vermieter zu übergeben hat (OLG Brandenburg OLGR 1997, 329; OLG Frankfurt/Main ZMR, 1997, 22). Der Schuldner darf selbst entscheiden, welchen Vertrag er erfüllt und bei wem er die größere Gefahr eines Schadensersatzanspruches sieht. Deshalb wird die einstweilige Verfügung auch dann nicht zulässig, wenn der (Erst-)Mieter nur die Herausgabe an einen Sequester begehrt.

Durch die einstweilige Verfügung würde in das Recht des weiteren Interessenten auf Überlassen der Mietsache eingegriffen (OLG Brandenburg a. a. O.; LG München WM 1991, 577). Der Schuldner kann sich indessen bis zur Zwangsvollstreckung entscheiden, an wen er leistet, und der Mieter ist durch den Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter hinreichend geschützt.

Folgte man der Gegenansicht, würde allein das Zufallsprinzip herrschen, nämlich ausgehend davon, wer zuerst die einstweilige Verfügung erwirkt (OLG Frankfurt/Main a. a. O.). Außerdem ergebe das schuldrechtliche Recht des Mieters bereits ein quasi-dingliches Recht auf den Mietgegenstand (OLG Brandenburg a. a. O.). Für den Mieter besteht schließlich die Möglichkeit, einen Anspruch frühzeitig durch eine Grunddienstbarkeit zu sichern. Nimmt er diese Möglichkeit nicht wahr, bleibt die Dispositionsfreiheit des Vermieters bestehen (OLG Brandenburg a. a. O.).

2. Aufgrund des auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände glaubhaft gemachten Vortrages der Beklagten ist von einer bereits erfolgten Übergabe dieses Geschäfts zum 10. März 2000 an die Firma S auszugehen.

Zwar hat die in I. Instanz vernommene Zeugin B ausgesagt, es würden Werbeschilder oder Einrichtungsgegenstände der Firma S bislang fehlen (nachdem ihre eidesstattliche Versicherung bis dahin jedoch dergestalt gelautet hatte, die Räume würden für diese Firma eingeräumt und betriebsfertig gemacht). Auch hat der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Beklagten im dortigen Verhandlungstermin dem Verhandlungsprotokoll zufolge am 21. März 2000 erklärt, die Übergabe an "I" solle erst am 31. März 2000 erfolgen. Unabhängig davon, ob das erstinstanzliche Verhandlungsprotokoll seine Darstellung richtig wiedergibt oder ob er - entsprechend den eidesstattlichen Versicherungen vom 26. Juni 2000 (Rechtsanwältin Z und Rechtsanwalt P) - falsch zitiert worden ist, spricht alles weitere für eine bereits erfolgte Übergabe vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 21. März 2000. Selbst der Inhalt des Mietvertrages zwischen der Firma S und der Beklagten, wonach die Übergabe erst am 01. Mai 2000 erfolgen solle (§ 3 Ziff. 1; so auch die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Klägerin T), wird durch § 3 Ziff. 2 des Mietvertrages, wonach "dem Mieter der Mietgegenstand unmittelbar nach Vertragsunterzeichnung [02.03.00] zum Zwecke der Herrichtung für den Geschäftsbetrieb übergeben" wird, relativiert.

Soweit für eine erfolgte Übergabe die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Beklagten B sprechen soll, ist diese zu unbestimmt und daher unergiebig. Entscheidend ist aber auf das "Bauherren-/Mieter-Abnahmeprotokoll" vom 10. März 2000 abzustellen, worin bereits Zählerstände eingetragen sind. Ein solches Vorgehen würde keinen Sinn ergeben, wenn die Übergabe an die Firma S erst später hätte erfolgen sollen. Soweit in diesem Abnahmeprotokoll Beanstandungen aufgeführt sind, hindert dies eine Übergabe an den Mieter nicht.

Des weiteren sprechen für eine Übergabe an "S" auch die Gesprächsnotizen des Herrn B von dieser Firma vom 13. März und 17. März 2000, wonach Aus- und Einrichtungsarbeiten parallel nebeneinander durchgeführt werden sollten und "S" zur Eröffnung des "Eparks" bereits die Nutzung des vorhandenen Ladenbereichs beabsichtigt bzw. sich damit einverstanden erklärt hatte, daß einem Autohändler diese Fläche vorübergehend zur Verfügung gestellt werde.

Auch das Schreiben der Firma S an die Beklagte vom 30. März 2000 läßt eher bereits auf eine erfolgte Übergabe, nämlich eine Schlüsselübergabe, schließen, wenn es dort heißt, die Beklagte werde aufgefordert, einen weiteren Schlüsselsatz zu übergeben. Schließlich ist der eidesstattlichen Versicherung der Vertreter von B und J der Firma S vom 02. Mai 2000 zu entnehmen, daß als Übergabetermin der 10. März 2000 vereinbart gewesen und dies auch so durchgeführt worden sei, und daß er, Herr B, bereits die Schlüssel erhalten, dann aber - um Handwerkern den Zugang zu ermöglichen - diese an den technischen Centermanager H zurückgereicht habe.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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